Für die Stadtentwässerung Hannover wurde ein Digitaler Zwilling entwickelt, welcher die Bereiche städtische Oberflächen, Kanalnetz, Kläranlagen und Gewässer umfasst. Zweck des Digitalen Zwillings ist eine Abbildung des Gesamtsystems in Echtzeit, um die Auswirkungen von Wasser-Extremereignissen besser managen zu können.
Am Beispiel der Stadt Hannover entstand ein Digitaler Zwilling, welcher auf Grundlage von Echtzeit-Messdaten und Simulationsmodellen den jeweils aktuellen Ist-Zustand einer städtischen Entwässerungsinfrastruktur mit ihren verschiedenen Teilbereichen widerspiegelt. Durch die Einbeziehung von Prognosen der wichtigsten Einflussfaktoren wie insbesondere Niederschlags- und Abflussdaten wird eine vorausschauende Szenario-Analyse ermöglicht als Basis für eine proaktive Bewältigung von extremen Niederschlagsereignissen. Der Digitale Zwilling liefert dem Betriebspersonal der Stadtentwässerung zudem Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Starkregenereignissen, um hierdurch beispielsweise Überflutungsschäden im Stadtgebiet sowie Mischwasserabschläge in die Gewässer zu reduzieren.
Mittels einer kartenbasierten Visualisierung stellt der entwickelte Digitale Zwilling dem Betriebspersonal zum einen die aktuelle sowie die in naher Zukunft zu erwartende regionale Niederschlagssituation im Stadtgebiet dar. Zum anderen werden den technischen Betriebsmitarbeitenden auf den Leitwarten die aus dem aktuellen sowie dem erwarteten Niederschlag resultierenden Auswirkungen in den verschiedenen Teilbereichen des Entwässerungssystems verdeutlicht: a) die aktuelle sowie die zu erwartende Belastungssituation im Kanalnetz inklusive der Eingangspumpwerke und Kläranlagen, b) die aus aktuellen und prognostizierten Niederschlägen jeweils resultierende Oberflächenüberflutung in den städtischen Teileinzugsgebieten inklusive aktueller und potenzieller kritischer Bereiche sowie c) die hydraulische und stoffliche Beschaffenheit (Quantität und Qualität) der Gewässer Leine und Ihme mitsamt ihrer Beeinflussung durch die aus dem jeweiligen Niederschlagsereignis resultierenden Regenwassereinleitungen sowie Mischwasserabschlägen. Schließlich offeriert das System den städtischen Verantwortlichen Maßnahmenvorschläge zum Management des akuten Niederschlagsereignisses sowie zur proaktiven Vorbereitung auf das bevorstehende Ereignis. In kritischen überflutungsgefährdeten Bereichen beinhalten die Maßnahmenvorschläge beispielsweise Absperrungen von Unterführungen und Straßen, Warnhinweise bzw. -anzeigen, Evakuierungen gefährdeter Liegenschaften und Sicherungen mittels lokaler Schutzmaßnahmen wie temporärer Abschottungen). Als Vorbereitungsmaßnahme dient z. B einvorausschauendes Entlüften von Pumpen.
Bei der Entwicklung des Digitalen Zwillings wurde auf eine hohe Offenheit und Übertragbarkeit der Herangehensweise auf andere Städte und Gemeinden geachtet. So ist der Ansatz mit einem moderaten Anpassungsbedarf (insbesondere zur Berücksichtigung alternativer städtischer Gegebenheiten) auch auf andere Anwendungsfälle außerhalb des Pilotgebietes Hannover übertragbar. Wichtig dabei sind v.a. die frühzeitige Klärung von organisatorischen und rechtlichen Fragestellungen bzw. von Anforderungen für Kritische Infrastrukturen (KRITIS) in Bezug auf eine stadtinterne Bereitstellung der erforderlichen meteorologischen und hydrologischen Modell- und Messdaten sowie der Bestands- und Infrastrukturdaten des Entwässerungssystems.